Kati Naumann: Was uns erinnern lässt
Auf der Suche nach einem „lost place“, den vor ihr noch niemand gefunden hat, ist Milla, Mitarbeiterin in einer Anwaltskanzlei, im Thüringer Wald abseits aller Wanderwege gut ausgerüstet mit Kompass, Werkzeug inklusive Bolzenschneider und Taschenlampe unterwegs. Sie befindet sich im ehemaligen Sperrgebiet bzw. der Grenzzone zwischen DDR und Westdeutschland im Wandergebiet um den Rennsteig. Auf einer Lichtung entdeckt sie schließlich unter Laub und Schutt nicht nur einen Keller sondern sogar eine Falltüre. Mit ihrem Bolzenschneider öffnet sie das Vorhängeschloss und es eröffnet sich ihr ein völlig unberührter Keller, in dem sie das Gefühl hat, die Zeit sei stehen geblieben. Angespornt durch ihre Funde möchte sie die Geschichte des einst hier bestehenden Hauses und der darin lebenden Familie kennenlernen. Aufgrund der Gegenstände findet sie vor Ort heraus, dass es sich um die Überreste des „Hotels Waldeshöh“ der Familie Dressel handelt.
Ihre Suche nach den ehemaligen Besitzern ist erfolgreich, sie lernt die noch lebenden Familienmitglieder und ihr Schicksal kennen und taucht ein in die Geschichte von Krieg, Nachkriegszeit, Realsozialismus und Wende nach dem Mauerfall. Erfährt über Repressalien gegen die Menschen in der DDR und im Grenzgebiet und wie sie das Leben in der Sperrzone meisterten, bis sie schließlich evakuiert wurden.
Die Erzählung spielt in zwei Zeitebenen: Einerseits wird das Leben der Familie im Hotel Waldeshöh ab April 1945 bis zur Deportation 1977, parallel die Aufarbeitung der Erlebnisse als Folge der Entdeckungen durch Milla beschrieben. In die Familiengeschichte eingeflochten lernt man die Praktiken und Regeln des politischen Systems in der DDR zur Beeinflussung der Bevölkerung kennen, das Leben zwischen Angst und Hoffnung, Freundschaft und Misstrauen und letztlich die Verzweiflung, wenn man nicht weiß, wer ein Verräter war und die Deportation mit allen Folgen für Erwachsene und Kinder der Familie verursacht hat.
Erschienen 2019 bei HarperCollins Hamburg
416 Seiten
ISBN 978-3-95967-247-4